Bild oben: gemalt von einem Kind, 5. Klasse

Junger Zierkirschenbaum in voller Blüte

Die Japanische Blütenkirsche ist ein Baum, welcher in unserem Buch Mechthild Goetze – Baum-Märchen für wundersame Wege keinen Platz fand. Von ihm erzählt das Märchen …
Der goldene Garten
Es war einmal ein sehr weiser Mann. Der lebte am Rande einer alten Stadt auf einem Berg. Viele Menschen bestiegen den Berg, was mit Mühsal verbunden war. Doch sie wollten sich von dem Mann einen Rat holen und er beriet sie mit Freude. So kam eines Tages ein armes Mädchen zu ihm und fragte schüchtern: „Oh Herr, du weißt so viel – das wurde mir erzählt. Kannst du mir vielleicht sagen, wo der Goldene Garten liegt?“
»Warum, mein Mädchen, brauchst du den Goldenen Garten?«, wollte der Einsiedler von ihr wissen. Und da erwiderte sie: »Meine Stiefmutter trug mir auf, ich solle ihr von dort goldene Zweige bringen. Wenn ich ihr diese nicht besorge, so brauche ich gar nicht erst wieder nach Hause kommen. Kannst du mir sagen, wo ich den Goldenen Garten finde? Ich selbst habe davon noch nie etwas gehört.«
»Ich danke dir für deine Ehrlichkeit«, sagte der alte Mann. »Bereite mir ein Abendessen zu. Wenn mir dein Essen schmeckt, dann helfe ich dir.«
»Oh, vielen Dank. Das versuche ich gern«, freute sich das Mädchen und sie machte sich an die Arbeit.
Bald war das Essen fertig. Es duftete auf dem ganzen Berg und der alte Mann nahm einen Löffel und aß schweigend. Anschließend sagte er: »Ich habe es geschmeckt, du hast mit Liebe gekocht. Den Liebenden wird geholfen, ich will dir also weiterhelfen. Geh durch diesen blau schimmernden Wald gen Osten. Du wirst dann einem Fuchs begegnen. Bitte ihn, dich in das Land zu bringen, aus welchem der Wind kommt. In diesem Land wirst du den Goldenen Garten finden. Wenn der Fuchs dich dort absetzt, musst du dir selbst zu helfen wissen.«
»Vielen Dank für dein gutes Herz«, sagte das Mädchen. Sie sprang fröhlich davon und war bald zwischen den Bäumen verschwunden.
Als der Wald sich wieder lichtete, da sah das Mädchen einen Fuchs. »Sei gegrüßt, lieber Fuchs«, begrüßte sie das Tier. »Der alte Mann vom Berg bei der alten Stadt hat mir gesagt, dass du mich in das Land begleiten wirst, in welchem der Goldene Garten sich befindet.«
Der Fuchs erwiderte bellend: »Wenn der alte Mann das so gesagt hat, dann werde ich dich dorthin geleiten. Steig doch auf meinen Rücken!«
Das ließ das Mädchen sich nicht zweimal sagen. Kaum saß sie auf dem Rücken des Fuchses, da begann das Tier zu laufen. Der Fuchs lief und lief, bis sie ein prächtiges Schloss sahen. Dieses stand auf der anderen Seite eines kleinen Flusses. Der Fuchs schwamm mit dem Mädchen über den Fluss und sagte dann: »Ich habe nun alles getan, was ich tun konnte. Das Weitere liegt nun an dir.« Er nickte freundlich, dann drehte er sich um und schwamm über den Fluss zurück. Das Mädchen schaute ihm nach, bis er verschwunden war. Dann ging es zu dem Schloss.
»Was willst du«, fragte der Wächter.
»Ich will zu eurem König, mit einem wichtigen Anliegen«, antwortete das Mädchen freundlich und bestimmt. Da durfte das Mädchen in das Schloss und bald erschien tatsächlich der König. Sie erhob sich und wartete höflich, bis der König sich auf seinem Thron niedergelassen hatte. Dann fragte er: »Was ist dein Begehr, junge Frau?«
»Meine Stiefmutter schickte mich, ich soll ihr goldene Zweige holen.«
Daraufhin runzelte der König die Stirn und schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Nun, gut. Wenn du drei Aufgaben erledigst, bekommst du drei goldene Zweige. Wenn nicht – dann kommst du aus diesem Schloss nicht mehr lebend heraus.«
Das Mädchen war bereit und der König nannte die erste Aufgabe: „Trenne das Salz bis morgen von diesen Steinen“, und reichte dabei dem Mädchen einige poröse Steine voller Salz.
Das Mädchen fragte nach einem Kessel und Wasser. Dann legte es die Steine in den Kessel und übergoss sie mit dem Wasser. Es mischte Steine und Wasser so lange, bis sich das Salz abgelöst hatte. Danach ging es mit dem Kesser in die Küche und kochte das Wasser so lange, bis alles Wasser verdampft war. Da fand sich in dem Kessel nur noch das reine Salz. Dieses gab sie am nächsten Tag dem König. Der sagte: „Gut, jetzt die zweite Aufgabe. Siehst du den See in meinem Park? Darin liegt mein Ring. Hol ihn für mich heraus.“
Das Mädchen ging zu dem See und grübelte. Wie kann es mir gelingen, darin den Ring zu finden? Es fragte die vorbei schwimmenden Fische liebevoll und fütterte sie mit einigen Krumen von ihrem Brot. Da kam mit einem Mal ein großer Fisch nah ans Ufer geschwommen. Er steckte seinen Kopf kurz aus dem Wasser und in seinem Rachen glänzte ein Ring. Den spuckte er an das Ufer und sprach dann schnell: »Nimm den Ring, bring ihn dem König. Du hast die Fischer gefüttert, dein Brot geteilt.« Dann tauchte er schnell wieder unter.
Das Mädchen rief ihm ein »Danke schön« nach und brachte alsdann dem König den Ring. Da nickte der König freundlich und sprach: »Jetzt bekommst du deine letzte Aufgabe. In unserem Park, wo die Bäume dicht an dicht stehen, lebt ein goldener Vogel. Niemand hat ihn fangen können, aber ich würde den Vogel gern vor meinem Schloss und in den Kirschenbäumen fliegen sehen. Gelingt es dir, ihn davon zu überzeugen, bekommst du deine goldenen Zweige.«
Da ging das Mädchen in den Park dorthin, wo die höchsten Bäume standen und rief zart nach dem Goldenen Vogel. Der kam nach einer kleinen Weile tatsächlich zu ihr geflogen, setzte sich auf ihre Schulter und sprach: »Ich weiß, was du willst von mir. Bring mich gern dem König, sei glücklich. Du hast so oft hungrige Vögel gefüttert, nun will ich dir dafür gern etwas Gutes tun.«
Das Mädchen brachte dem König den Vogel. Kaum aber hatte der König den Vogel berührt, da verwandelte dieser sich in einen jungen Mann. In ihm erkannte der König seinen Sohn, eine Hexe hatte ihn verwandelt. Und es hatte ein Mädchen mit einem reinen Herzen kommen müssen, um ihn von deren Zauber zu befreien. Mit herzlicher Freude begrüßte der junge Königssohn seinem Vater und strahlte ebenfalls das Mädchen an. »Vater«, sprach er, »das ist meine Retterin. Wie können wir sie belohnen?«
Der König erwiderte bedächtig: »Liebes Mädchen. Du darfst es dir wünschen. Du kannst dir von den Kirschenbäumen goldene Zweiglein pflücken, so viel du willst, und sie deiner Steifmutter bringen. Oder du bleibst bei uns als meine Schwiegertochter.«
Das Mädchen stand still da. Wie verzaubert schaute sie in die goldenen Kirschenbäume, welche in diesem Augenblick zu blühen begannen. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Da fragte behutsam der Königsohn, ob sie einverstanden wäre, ihn zu heiraten. Und da nickte das Mädchen. Es wurde zur Prinzessin und steckte sich bei ihrer Hochzeit das ganze Haar voller Kirschenblüten.
So lebte sie glücklich in diesem prächtigen Schloss. Und vielleicht hat sie einmal auch ihre Stiefmutter eingeladen, vielleicht aber auch nicht. (Quelle: Nach einem Märchen aus Litauen)

Gemalt von einem Kind aus dem Hölderlin-Gymnasium, 5. Klasse

Informationen rund um Prunus serrulata siehe hier