Foto oben: Wein- und Sektgut Hummel in Malsch – nur von außen fast unscheinbar!

Wenn die Zeiten nicht so wären, wie sie sind, würden wir nicht auf die Idee kommen, eine Weinprobe per Video-Konferenz abzuhalten. Aber was machen wir jetzt nicht alles online!

Meine erste Erfahrung mit einer Online-Weinprobe machte ich im ersten Corona-Jahr. Wir, d.h. ein Arbeits- und Freundeskreis von ‚Personalern‘, verkosteten Weine des Weinguts Bibo Runge (Revoluzzer Weine aus dem Rheingau) via Zoom. Eine Woche vorher wurden die Weine den Teilnehmern zugeschickt. Dann war es soweit. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie der Winzer fanden sich nach und nach am Bildschirm ein. Da wir uns alle seit vielen Jahren kannten, gab es erst einmal ein großes Hallo. Die Initiatorin stellte den Winzer Markus Bonsels vor und übergab dann das Wort an ihn. Markus führte kenntnisreich durch den Abend, erzählte über seinen Werdegang vom Manager zum Winzer, über das Weingut und natürlich leidenschaftlich, kenntnisreich und anschaulich über die Weine des Abends. Da wir eine kleine Gruppe waren (11 TN an 7 Bildschirmen), konnten wir auch gut unsere Fragen oder Anmerkungen anbringen. Zum Schluss ging der Winzer noch in seinen Weinkeller und verschaffte uns noch einige Eindrücke von der Weinerzeugung. Gut gelaunt und angeregt durch die neuartige Weinprobenerfahrung konnten wir uns dann verabschieden. Bei einer analogen Weinprobe hätten wir sicherlich noch lange zusammengesessen, angeregt diskutiert und ausgiebig die Weine verkostet.

Weingut Bibo Runge, Oestrich-Winkel (Rheingau) / Bibo-runge-wein.de

Im März dieses Jahres konnten wir (7 Paare) die Weine vom Wein- & Sektgut Hummel probieren. Wieder wurden wir via Zoom miteinander verbunden. Durch den kleinen TN-Kreis (14 TN + Winzer an 8 Bildschirmen) war auch diesmal die Lage sehr übersichtlich. Verkostet wurden ein Sekt, ein Grauburgunder, ein Sauvignon Blanc, ein Merlot, ein Syrah sowie ein Spätburgunder unterschiedlicher Qualitätsstufen. Der Winzer, Daniel Rhein, erzählte kenntnisreich über das Weingut, den Weinbau und natürlich über die Weine. Da die zugeschickte Weinmenge nur gekostet wurde (mehr oder weniger ausführlich), blieb noch genug Wein übrig für die folgenden Tage oder Nachbarn. Halbe Flaschen – wie z.B. beim Sekt – wären m.E. die geeignetere Größe für eine Verkostung von mehreren Weinen bei einer Online-Weinprobe.

Wein- & Sektgut Hummel, Malsch (Kraichgau) / weingut-hummel.de

Andere Erfahrungen kann man machen, wenn man an einer der vielen offenen Online-Weinproben teilnimmt. Viele Winzer haben mittlerweile ‚Home-Weinproben‘ im Angebot. Diese gibt es in den unterschiedlichen Ausprägungen: Jungweinprobe, Wein und Kultur, Wein und Schokolade etc. Natürlich darf auch Wein und Käse in diesem Angebot nicht fehlen. Die Teilnehmer erhalten in diesem Fall den Käse zusammen mit dem jeweiligen Weinpaket einige Tage vor dem Online-Termin. Rückmeldungen zu einem solchen Event klangen kritisch. Die Anzahl der Teilnehmer war sehr hoch: 79 Parteien hatten sich eingewählt! Eine Teilnehmerbegrenzung wäre wünschenswert. Es wurde sehr lange über Käse, weniger über Wein referiert. Schwierig bis unmöglich war es bei dieser Anzahl von TN, Fragen zu stellen. Gut war dann allerdings, dass Teilnehmer nach dem Ende des offiziellen Teils der Weinprobe in der Zoom-Konferenz bleiben und in kleineren Gruppen noch ausführlich das Erlebte diskutieren und gemeinsam den Wein austrinken konnten.

Für viele Winzer sind Online-Weinproben eine Möglichkeit, diese schwierigen Zeiten wirtschaftlich besser zu überstehen. Als Weintrinker sind jedoch das persönliche Zusammensein, der unmittelbare Austausch und die anregenden Diskussionen einer analogen Weinprobe durch keine Onlineformate zu ersetzen. Aber um gemeinsam unter den derzeitigen Bedingungen Wein genießen zu können, kann man von Zeit zu Zeit auf diesen Notbehelf zurückgreifen. Hoffen wir alle, dass das nicht mehr lange notwendig sein muss!