Foto: Buchhandlung Xanthippe, Mannheim (T3, 4)

„Durch ein Glas Wein schwindet die Erinnerung, aber gleichzeitig verwandelt sich die drückende Schwere deines Körpers in eine Art schwebende Durchlässigkeit. So ähnlich wie bei Fieber. Ist der Trancezustand vorüber, überfällt dich Niedergeschlagenheit, aber es gibt ein Mittel, ihr zu entgehen: den Alkoholspiegel im Blut auf einer Höhe halten, die dich glauben lässt, du nimmst am Leben teil. … Diese Art Energie setzt man für gewöhnlich mit Freude gleich, obschon sie natürlich keine Freude ist.“

Zitat aus:
Miguel Delibes: Frau in Rot auf grauem Grund. Aus dem Spanischen von Michael Hofmann. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1995, 107 Seiten

Miguel Delibes, ein Schriftsteller aus Spanien, bekam 1993 für sein Lebenswerk den bedeutendsten Literaturpreis seines Landes, den Premio Cervantes, verliehen.
Eines seiner Bücher heißt Frau in Rot auf grauem Grund – es beginnt mit Gedanken zum Wein trinken: Ana, die Frau, ist gestorben. Dem Erzähler, einem erfolgreichen Maler, ist mit dem Tod der Ehefrau die künstlerische Inspiration abhanden gekommen. Als Erinnerung für die abwesende Tochter schreibt er die letzten Wochen im Leben seiner Frau auf. Es wird das, was er schreibt, zur Liebeserklärung an seine Frau.
Miguel Delibes erzählt schlicht, doch sehr ergreifend von der Vitalität eines Menschen, der selbst vor seinem unausweichlichen Ende durch einen Gehirntumor nicht kapituliert. Miguel Delibes schildert unprätentiös eine lebenslange Liebe. Das Büchlein ist nur 100 Seiten lang, doch am Ende schließt man still beglückt den schmalen Band.